Gedanken zur Fotografie


Über Fotografie und Wahrnehmung

Fotografie und Wahrnehmung

"A flower does not think of competing to the flower next to it, it just blooms." Zen Shin

 

 

Jede Blume, jeder Baum, jeder Schneekristall, jeder Wassertropfen ist anders als alle anderen. Unvergleichbar, unvergleichlich.

„Was, wenn alle Wahrheit Wahrnehmung ist?“ Nuë Ammann


Unsere Einzigartigkeit reicht bis in unsere Sinne, bis in unsere Wahrnehmung hinein. Unser Nervensystem und die Art, wie es Reize verarbeitet, gibt es kein zweites Mal.

Mit diesem Bewusstsein ändert sich der Blick auf die Welt. Mehr noch, der Blick auf uns selbst. Wenn wir eine Ahnung davon bekommen, dass unsere Wahrnehmung einzigartig ist, wenn wir begreifen, dass nur wir die Welt so sehen, wie wir sie sehen, wird uns bewusst, wie wichtig es ist, in unseren Bildern
eine ganz eigene Sichtweise zum Ausdruck zu bringen.

Tatsächlich müssen wir nicht bis ans Ende der Welt fahren, um einzigartige Bilder zu machen. Unsere ganz eigene Welt liegt in uns, unsere Motive vor der Haustür.

Alles, was wir mit Intensität erleben, alles, was wir mit Aufmerksamkeit wahrnehmen,  kann sich in ein besonderes Bild verwandeln. Wir können aufhören, zu suchen, denn es geht ums Finden. Die Engländer wussten das wohl schon immer – sie sprechen anstelle des „Suchers“ vom „Finder“.  

„Make love with light“, sagte Minor White zu seinen Studenten.

Wenn wir uns mit dem Licht und dem Gegenüber verbinden, bedeutet das für unsere Fotografie: wir sind frei! Frei vom Suchen, nicht mehr abhängig von einer besonderen Location und sensationellen Ausblicken – selbst frei von der Schönheit im herkömmlichen Sinne. Denn die Schönheit liegt in uns – im Auge des Betrachters, wie der Volksmund so treffend sagt. Das einzige, was zählt, ist unsere Begegnung. Das Öffnen fürs Gegenüber – einerlei ob Mensch, Baum oder Wasser – und das völlige Präsent-Sein im Moment, mit dem Motiv.

 

"Das wahre Wissen kommt immer aus dem Herzen." 
Leonardo da Vinci

Wenn wir auf diese Weise fotografieren, werden wir schon im Augenblick des Tuns beschenkt. Wir streben nicht mehr nach dem Ergebnis, denn wir sind bereits im Moment des Fotografierens reich.

Selbst die Kriterien der Auswahl ändern sich. Unser Herz wird von dem Bild berührt, das von Begegnung und Intensität erzählt, das spiegelt, was wir empfunden haben. Klassische Sichtweisen und Kategorien lösen sich auf und machen Raum für das Besondere, das Einzigartige. Raum für das Wesentliche. Für das, was uns im Herzen berührt und genau dadurch andere zu berühren vermag. Wir sehen mit dem Herzen. Wir sprechen mit dem Herzen. Wir teilen uns aus dem Herzen mit.